
E N T S C H L I E S S U N G S A N T R A G
der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Genossinnen und Genossen
betreffend
"Rechtsanspruch für ganztägigen Schulplatz
nach deutschem Vorbild"
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert dem Nationalrat ehestmöglichnach deutschem Vorbild ein Gesetz zur Verankerung eines Rechtsanspruches auf einen kostenfreien, ganztägigen Schulplatz im Umkreis von 20km inklusive gratis Mittagessen vorzulegen. Dieser Rechtsanspruch kann nur gemeinsam mit einem raschen Ausbau der ganztägigen Schulformen und einer entsprechender budgetären Bedeckung durch den Bund erfolgen. Außerdem soll gleichzeitig auch ein Rechtsanspruch auf Sommerschule verankert werden. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat zudem gemeinsam mit den Bundesländern ein Modell für einen Rechtsanspruch auf einen gratis Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr auszuarbeiten und ebenfalls auf eine baldige Umsetzung hinzuwirken.“
Warum?
Im Unterschied zu Österreich haben Eltern in Deutschland zumindest einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz – ab vollendetem ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt. Mit Schuleintritt stellt sich dann für viele Eltern aber erneut die Betreuungsfrage. Denn ähnlich wie in Österreich sind die meisten Grundschulen (Volksschulen) nur Halbtagsschulen,enden also zu Mittag, damit entsteht für viele Eltern eine Betreuungslücke. Der Bundestag in Deutschland hat deshalb nun beschlossen, dass Eltern künftig auch einen Rechtanspruch darauf haben, ihre Kinder im Grundschulalter bis in den Nachmittag hinein betreuen zu lassen.
Ab 2026 sollen in Deutschland zunächst alle Kinder der ersten Schulstufe einen Anspruch auf einen Ganztagsplatz haben, in den Folgejahren wird er um je eine Schulstufe ausgeweitet. Somit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind der Schulstufen 1 bis 4 einen Anspruch auf ganztägige Betreuung.Kinder erhalten nach dem Unterricht in der Betreuung ein warmes Mittagessen, machen dort ihre Hausaufgaben und können anschließend mit ihren Freundinnen und Freunden spielen. Besuchen sie eine Ganztagsschule, wechseln sich Schule und Freizeit bis zum späteren Nachmittag rhythmisiert ab. Danach können die Kinder noch einen Späthort besuchen.
Der Rechtsanspruch ist ein letztes großes Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD, das die scheidende große Koalition noch umsetzt. In einigen Bundesländern - vor allem im Osten, in Hamburg und Berlin - gibt es schon eine dichte Ganztagsbetreuung. In anderen Bundesländern, etwa Baden-Württemberg, müssen noch viele neue Plätze geschaffen werden. Geschätzt wird, dass ein Bedarf von insgesamt 600.000 bis 800.000 Plätzen besteht. Auch hier ähnelt die Situation jener zu Österreich: während in Wien Eltern ein vergleichsweise gutes, und vor allem auch gratis Angebot an ganztägigen Schulen vorfinden, haben es Eltern in den ländlichen Regionen oft schwer ein entsprechendes Angebot zu finden. Im Unterschied zu Deutschland fehlt in Österreich aber seit Jahren das Bekenntnis des ÖVP Bildungsministers hier mit zügigen Schritten voran zu gehen und den Eltern einen baldigen Rechtsanspruch, flankiert mit einem entsprechenden Ausbauplan, umsetzen zu können. Im Gegenteil, die eigentlich bereits unter der SPÖ Bildungsministerin Sonja Hammerschmid 2016 beschlossenen zusätzlichen Mittel iHv. insgesamt 750 Mio. Euro für den Ausbau der ganztägigen Schulen wurden unter türkis-blau gekürzt bzw. die Ausgaben hierfür auf den Sankt Nimmerleinstag nach hinten verschoben. Daran änderte auch die neue türkis-grüne Koalition nicht viel.
Dabei hat gerade die Corona-Krise und die Schul-Lockdownsnocheinmal verdeutlich: Unser Schulsystem unterstützt die Kinder bildungsnaher Eltern mit genügend zeitlichen und finanziellen Ressourcen, alle anderen Kinder haben Pech gehabt. Die klassische Halbtagsschule kann als„Hausübungsschule“ bezeichnet werden. Der Lernerfolg baut darauf auf, dass sich Eltern am Nachmittag mit den Kindernhinsetzen und lernen. Wenn Eltern selbst nicht helfen können,dann müssen sie tief in die Tasche greifen und für privateNachhilfe bezahlen. Wir wünschen uns eine Schule, in die einKind ohne Schultasche kommen kann und ohne Hausübung wieder herauskommt, weil die gesamte Bildung Sache der Schule und nicht der Möglichkeiten und Zeit der Eltern ist.Die Vorteile der Ganztagsschule liegen damit nicht nur aus Sicht der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern auch pädagogisch klar auf der Hand.
Zusätzlich gilt es natürlich auch noch die unterrichtsfreie Zeit in den Ferien zu bedenken. 14 Wochen Ferien haben Österreichs Schülerinnen und Schüler derzeit. Für die Eltern bedeutet das: Großeltern organisieren, Nachbarn um Hilfe bitten, mit Urlauben und Zeitausgleich herumjonglieren und im besten Fall können ältere Geschwister schon ein bisschen aushelfen. Ein Rechtsanspruch auf Sommerschule könnte nicht nur dem Betreuungsproblem in den Sommerferien entgegentreten, sondern auch eine gute Gelegenheit sein, Lerninhalte zu vertiefen, Motivation fürs Lernen zu wecken oder bei der Vorbereitung auf eine Nachprüfung zu unterstützen. Während der ‚normale Schulalltag‘ oftmals von Frontalunterricht geprägt ist, kann in den drei Wochen Schule neu gedacht werden. Projektarbeiten, Exkursionen – der Kreativität der Pädagoginnen und Pädagogen sind keine Grenzen gesetzt. Und für jene SchülerInnen, die in Mathe, Deutsch & Co. hinterherhinken, gibt es Förderunterricht, um den Stoff aufzuholen. Als Vorbild dient hier das durch die SPÖ Oberösterreich vorgestellte Modell des „6+3 Familien-Sommer-Planes“. Nach sechs Wochen Sommerferien haben Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder in eine Sommerschule am Schulstandort zu geben. Es steht ihnen frei, ob sie das Angebot in Anspruch nehmen oder nicht. Eines soll jedoch gewährleistet sein: Auf den Platz in der Sommerschule soll es in Zukunft einen Rechtsanspruch geben.
Aber auch in Sachen Kinderbetreuung nicht schulpflichtiger Kinder, hat uns Deutschland einiges voraus: Im Unterschied zu Österreich haben Eltern in Deutschland, wie Eingangserwähnt, bereits seit Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz – ab vollendetem ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt. Mit der Ausweitung dieses Rechtsanspruches auch auf Kinder im Grundschulalter kann Deutschland in Sachen Gleichberechtigung ein wichtiges Vorbild für Österreich sein.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten diesen Entschließungsantrag.